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Rezension: Schmetterlinge

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Schmetterlinge sind Wunder!

Josef Reichholf (2018): Schmetterlinge. Warum sie verschwinden und was das für uns bedeutet. Carl Hanser Verlag München, ISBN 978-3-446-26033-7, 24 €

 

tl_files/fM_k0002/Bilder_Rezensionen/Schmetterlinge-Josef_ Reichholf.jpg„Schmetterlinge sind Wunder. Wir sollten sie nicht verschwinden lassen aus unserer Welt.“ Mit diesen Worten schließt der Bestseller-Autor und Naturwissenschaftler Josef Reichholf sein jüngstes Buch.

 

Dessen ersten und umfangreicheren Teil widmet er der Biologie der Schmetterlinge und begründet das so: „Das Aussterben an den Anfang zu stellen (…) dürfte nicht hilfreich sein, Interesse an den Schmetterlingen und Begeisterung für sie zu entwickeln. Das aber ist mein Anliegen.“

 

Er beginnt mit den Wasserschmetterlingen, über die er seine Dissertation geschrieben hat.

Wer weiß schon, dass es Schmetterlinge gibt, deren Raupen im Wasser leben? Betrachtet werden dann weitere ökologische Gruppen wie zum Beispiel die Brennnesselfalter, Wanderfalter, giftige Schmetterlinge, Gespinstmotten und die kälteresistenten Frostspanner.

 

Fazit nach der Lektüre des ersten Teils: Das Konzept ist aufgegangen - Interesse und Begeisterung für die Schmetterlinge sind geweckt. Umso schlimmer ihr Verschwinden!

 

 

 

Die 2017 erschienene Krefeld-Studie hatte eine breite öffentliche Diskussion über das Insektensterben bewirkt. Die Untersuchung beruht auf der Ermittlung der Insekten-Biomasse in Naturschutzgebieten. Ergebnis: Seit den 1990er Jahren ist die Biomasse um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. Für Naturfreunde, die seit vielen Jahren die Entwicklung erlebt haben, war das eine quantitative Bestätigung ihrer Beobachtungen. Die blumenreichen Wiesen mit reicher Schmetterlingsfauna sind verschwunden. Insbesondere aus der Landwirtschaft wurde argumentiert, die Krefeld-Studie sei kein repräsentatives Ergebnis. Es bedürfe weiterer Untersuchungen. Josef Reichholf bietet diese mit seinem Buch auf der Basis über 50-jähriger Erfahrung.

 

Am Ortsrand eines Dorfes im unteren Inntal (Südostbayern) hat er mit Hilfe der nicht tötenden Lichtfang-Methode die Bestandsentwicklung der nachtaktiven Schmetterlinge verfolgt. Deren Artenzahl macht das Zehnfache der Tagschmetterlinge aus. In den letzten 50 Jahren sind die Nachtschmetterlinge um über 80 Prozent zurückgegangen. Die übrigen Insekten nahmen sogar um 96 Prozent ab. Die Häufigkeit der Wiesenarten unter den Tagfaltern hat nach Reichholf Untersuchungen 2016 bezogen auf 1976 um 73 Prozent abgenommen. Der Verlauf ist so: Zuerst nehmen die Mengen ab, dann verschwinden immer mehr Arten.

Ein Häufigkeitsrückgang war auch bei den Nachtschmetterlingen des Auwalds am Inn festzustellen, aber weit geringer als in der Feldflur. Das Überraschende aber ist: In München hat sich die Häufigkeit der nachtaktiven Schmetterlinge seit 1981 nicht verändert.

 

Das führt zu der Frage nach den Ursachen des katastrophalen Artenschwunds in der Agrarlandschaft. Die Hauptursache sieht Josef Reichholf in deren starker Überdüngung, verbunden mit einer drastischen Abnahme der Strukturvielfalt. Die Tierhaltung erzeugt in Deutschland ein Mehrfaches an Abwasser (= Gülle) als alle Menschen zusammen. Seit 1960 hat sich der Maisanbau vertausendfacht. Insbesondere bedingt durch die Energiewende stieg die Mais-Fläche auf zweieinhalb Millionen Hektar.

Die starke Düngung durch Gülle und auch der Nitrat-Eintrag aus der Luft fördert zusätzlich zu den wachsenden Monokulturen artenarme Pflanzenbestände. Das üppige Wachstum bewirkt ein kühleres und feuchteres Mikroklima, so dass viele Insekten dort nicht mehr leben können, selbst wenn ihre Futterpflanzen noch vorhanden sind.

 

Der Soziologe Alexander Mitscherlich hatte 1965 ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“. Nun spricht Josef Reichholf von der „Unwirtlichkeit des Landes“.

Großstädte wie München und Berlin weisen eine weitaus größere Strukturvielfalt als das Land auf und sind weniger vom Düngeproblem betroffen. Entsprechend größer ist ihr Artenreichtum.

Und so geht das Fazit Reichholfs unter die Haut: „Nicht die Großstadt ist das Ende der Natur, sondern das Maisfeld.“ Ein Beispiel für seine pointierten, aber sachlich gut begründeten Formulierungen.

 

Wenn auch die industrielle Landwirtschaft Hauptverursacherin des Artenschwundes ist, eine weitere gravierende Ursache sind die übertriebenen „Pflegemaßnahmen“, zum Beispiel an Straßen- und Wegrändern sowie Grünflächen im Siedlungsbereich. Reichholf spricht von einer „staatlich und kommunal sanktionierten Naturvernichtung“. Diese - so argumentiert er - ließe sich nahezu vollständig vermeiden, weil im Gegensatz zur Landwirtschaft keine Erträge erwirtschaftet werden müssen.

 

Die Städte und großen Dörfer seien „Rettungsinseln“ für die Schmetterlinge geworden. Die Gärten - so Reichholf - sind „die einzigen Lebensräume, die ihrer Gesamtfläche nach wirklich bedeutsam sind für das Überleben zahlreicher Schmetterlingsarten“. Umso schlimmer die sich ausbreitenden Steinwüsten in der Gartenlandschaft!

 

Reichholfs Buch ist ein Weckruf an die Politik in Hinblick auf eine dringend notwendige Agrarwende. Es ist keine grundsätzliche Kritik an den Bauern. Diese sind schließlich selbst Opfer einer verfehlten Agrarpolitik. In nur 30 Jahren bis zur Jahrtausendwende mussten an die 90 Prozent der Bauern ihre Betriebe aufgeben.

Es stellt sich auch die Frage, ob die Naturschutzverbände in ihrer Arbeit die richtigen Schwerpunkte setzen. Reichholf ist der Meinung, dass die Verbände der Hauptursache des Artenschwunds, der Überdüngung, nicht genügend Aufmerksamkeit widmen. In erster Linie ist es nicht der Klimawandel - so ernst er auch genommen werden muss -, der den Artenschwund bedingt. So greift nicht das Argument, man müsse die Naturzerstörung in unseren Wäldern durch Windräder in Kauf nehmen, weil ansonsten der Klimawandel die Artenvielfalt bedrohe.

 

Wolfgang Lübcke