STÜBING, S., KORN, M., KREUZIGER, J. u. M.
WERNER (2010):
Vögel in Hessen. Die Brutvögel Hessens in Raum
und Zeit. Brutvogelatlas.
Hrsg.: Hessische Gesellschaft für Ornithologie
und Naturschutz (HGON), Echzell, ISBN
978-3-9801092-8-4, 49,80 €
Bezug: HGON Lindenstraße 5, 61209 Echzell,
www.hgon.de
Rechtzeitig zu Weihnachten legte die HGON im
Dezember 2010 den neuen hessischen
Brutvogelatlas als bundesweit erste
Ausgliederung aus dem deutschlandweiten
ADEBAR-Projekt (Atlas Deutscher Brutvogelarten)
vor.

Während auf Bundesebene die Kartierung in dem
Zeitraum 2005 bis 2008 auf Messtischblatt-Basis
(TK 25) erfolgte, hatte die Hessische
Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz
sich dafür entschieden, die Kartierung auf
¼-MTB-Rastern (Quadranten) durchzuführen und
damit die Grundlage für eine ausreichend
differenzierte Darstellung der Ergebnisse in
einem eigenen Brutvogelatlas geschaffen.
Insgesamt konnte die bemerkenswerte Anzahl von
683 MTB-Quadranten und damit die gesamte
Landesfläche lückenlos bearbeitet werden.
Dem
Autorenteam um Stefan Stübing, Matthias Korn,
Josef Kreuziger und Matthias Werner ist dabei in
der Rekordzeit von nur etwa einem Jahr nach
Abschluss der Feldarbeiten eine bislang
einzigartige Publikation gelungen, die neue
Standards im Bereich des Landes-Avifaunen setzt.
In Ergebnispräsentation, Layout und
Akzentuierung geht das 500 Seiten starke Werk
dabei ganz neue Wege. Ausdrücklich wird nicht
nur ein Fachpublikum, sondern auch die
interessierte Öffentlichkeit angesprochen.
Besonders deutlich wird dies durch die über 300
ausnahmslos exzellenten Farbfotos.

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Der
allgemeine Teil des Buches gibt auf rund 50
Seiten eine Einführung in die Methodik, die
Geologie, das Klima, die Vegetation sowie die
tiergeographische Gliederung Hessens.
Hervorzuheben ist die bereits im Untertitel
angekündigte Betrachtung der Brutvögel Hessens
in Raum und Zeit.
In
den Abschnitten „Vögel in Hessen vorgestern“,
„gestern“, „heute“ und „morgen“ wird die
Vogelwelt Hessens über einen Zeitraum von 47
Mio. Jahren v. h. bis ins Jahr 2050 beleuchtet.
Die einzelnen „Haltepunkte“ auf dem Zeitstrahl
sind mit aussagekräftigen Tabellen, Grafiken und
Karten illustriert, so dass die Angaben im
Fließtext gut nachvollzogen werden können.
Besonders erfreulich für die
Waldeck-Frankenberger Ornithologen ist, dass der
Landkreis mit dem Frankenberger Quadranten MTB
4918/2 bei der „heutigen“ Vogelwelt über einen
regelrechten Hotspot der Artendiversität
verfügt. Mit 112 Brutvogelarten zählt das
Messtischblatt zu den 14 artenreichsten Hessens
(Maximum: 125) und liegt über dem Mittel von
etwa 90 Arten. |
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Der
allgemeine Teil schließt mit einer Betrachtung
des Vogelschutzes in Hessen.
Der
spezielle Teil befasst sich detailliert mit den
187 hessischen Brutvogelarten; zudem werden 22
ausgestorbene Arten sowie 9 Brutgäste
vorgestellt. Auch hier besticht der neue
hessische Brutvogelatlas durch ein wegweisendes,
sehr übersichtliches Design.
Jeder Brutvogelart ist in der Regel eine
Doppelseite gewidmet, die eine fast ganzseitige
Verbreitungskarte, die Anzahl der Reviere, ein
Balkendiagramm zur Häufigkeitsverteilung in den
besiedelten MTB-Vierteln, ein Tortendiagramm zur
Phänologie der Art sowie ein großformatiges
Farbfoto umfasst. Zudem wird textlich die
Situation der betreffenden Art in Hessen
ausgeführt. Abgerundet werden die Artangaben
durch Piktogramme zu Gefährdung und Schutz sowie
Lebensraum und Bestandentwicklung.

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Um
dem Einfluss der Erfassungstätigkeit bei der
Abschätzung der Bestandsentwicklung Rechnung zu
tragen, werden kurzfristige Bestandstrends
(Entwicklung im Zeitraum der ADEBAR-Kartierung)
sowie langfristige Trends (1980 bis 2005)
präsentiert. Damit sind alle relevanten
Informationen auf einen Blick zu erfassen.
Ausführlichere Informationen zu
Bestandsentwicklungen und Ergebnissen der
Rasterkartierungen finden sich im Anhang.
Dem
aufmerksamen Leser wird zudem auffallen, dass es
zwei Arten von Verbreitungskarten gibt. Für sehr
häufige Arten, bei denen im Rahmen der
ADEBAR-Kartierung lediglich das Vorkommen, nicht
aber die Häufigkeit vermerkt wurde (wie z.B.
Kohlmeise oder Bachstelze), wurde in Abstimmung
mit dem für den gesamtdeutschen Brutvogelatlas
verantwortlichen Dachverband Deutscher
Avifaunisten (DDA) das Verbreitungsgebiet
entsprechend der Lebensraumansprüche der Art
abgeschätzt bzw. „modelliert“.
Auf
diese Weise können mit vergleichsweise geringem
Aufwand sehr genaue Verbreitungskarten erstellt
werden. Für alle übrigen Arten werden
Rasterkarten verwendet, das heißt jedes Raster,
in dem die Art nachgewiesen wurde, ist
entsprechend der Dichte der Vorkommen
unterschiedlich eingefärbt.
Ein
leichtes Manko stellen die an einigen Stellen
gehäuft auftretenden Tippfehler dar, die wohl
dem ehrgeizigen Zeitplan geschuldet sind. Zudem
ist das „offene“ Layout des Buches, welches
grundsätzlich einen angenehmen Kontrast zu den
früher üblichen, hoch verdichteten Textseiten
derartiger Standardwerke darstellt, an manchen
Stellen (z.B. im Abschnitt Vogelschutz in
Hessen) vielleicht etwas übertrieben worden und
wirkt verspielt.
Nicht ganz nachvollziehbar ist außerdem, warum
die Vogelfotos im Allgemeinen Teil mit großen,
überdeutlichen Indikatorziffern versehen wurden,
die Bildbeschreibung dann aber als äußerst klein
gedruckte Randnotizen in einer Ecke
verschwinden. Letztendlich können diese kleinern
Details aber mitnichten den hervorragenden
Gesamteindruck des Werkes trüben.
Sympathisch ist, dass das Buch mit einem Dank an
die 723 ehrenamtlichen Mitarbeiter (die auch
alle namentlich aufgeführt werden) eröffnet wird
und diese nicht „nur im Anhang“ erwähnt werden.
Ingesamt legt die HGON mit dem neuen hessischen
Brutvogelatlas ein avifaunistisches Werk der
Spitzenklasse vor, das nicht nur
wissenschaftlichen Bedürfnissen entspricht,
sondern auch dem „Laien“ viel Freude bereiten
wird. Die überaus gelungene Kombination aus
moderner Auswertungsmethodik und
Ergebnisdarstellung geben dem Buch ein
lebendiges Erscheinungsbild und machen es zu
einer höchst unterhaltsamen Lektüre.
„Vögel in Hessen“ hängt die Messlatte für
folgende länderbezogene Ausgliederungen aus dem
ADEBAR-Projekt sehr hoch.
Felix Normann
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