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Naturschutzgebiet
Langenstein bei Ober-Werbe

 

Steil abfallende Zechsteinhänge mit markanten Dolomitfelsen

2011

Erstausweisung: 1987
Stadt:
Waldeck (Ober-Werbe)
MTB 4719
Schutzgrund:
Bot, Zool, Orn
Größe:
26,56 ha
Teil des FFH-Gebietes „Langenstein, Klinger
Klippen und Hochstein" Nr. 4719-304


Lage und Besonderheiten

Mit dem Naturschutzgebiet ist der Kern einer für Waldeck-Frankenberg ungewöhnlichen Landschaft geschützt, die im Kleinen an Bilder der Schwäbischen oder Fränkischen Alb erinnert. Tief in die Waldecker Tafel eingeschnitten hat das Werbetal im Laufe der Jahrmillionen steil abfallende Zechsteinhänge mit einigen markanten Dolomitfelsen freipräpariert.

Das NSG umfasst die süd- und westexponierten Hangpartien zwischen den Waldecker Stadtteilen Ober-Werbe und Alraft. Es besteht aus zwei Teilgebieten, die durch die Straße von Ober-Werbe nach Sachsenhausen getrennt werden: im Westen der Klosterberg mit der auf einem Felsriff über dem Ort thronenden Ruine des ehemaligen Benediktinerinnenklosters sowie dem optisch herausragenden Langenstein-Felsen. Von dort aus reichen die überwiegend bewaldeten Hangflanken talaufwärts bis an den südlichen Rand von Alraft heran. Im Osten von Ober-Werbe komplettiert der Schmidteberg die Umrahmung des kleinen Ortes.

Zentraler Schutzgrund des Gebietes sind die vegetationsgeografisch bemerkenswerten Blaugrasreichen Kalk-Felsfluren, Magerrasen und Kalkbuchenwald-Reste. Wie alte Fotos von Nieschalk u. a. eindrucksvoll zeigen, waren die Zechsteinhänge Anfang des letzten Jahrhunderts weitgehend unbewaldet und von ausgedehnten, teils mit Wacholder bestandenen Schaftriften bedeckt, die noch bis in die 1950er Jahre beweidet wurden. Nur kleinflächig gab es Reste der ursprünglichen Kalkbuchen- und Felswälder sowie einzelne Hutebuchen. Heute sind weite Bereiche der Werbehänge durch Aufforstung und Sukzession überwiegend mit Kiefer wieder bewaldet. Im Rahmen von Pflegemaßnahmen am Klosterberg, Schmidteberg und Wehrstein wurden in den 1980er und 90er Jahren Kiefern und Sukzessionsgehölze auf wenigen Teilflächen entnommen. Hier findet inzwischen wieder eine regelmäßige Schafbeweidung statt.

Die ältesten Gesteinsschichten an der Basis der Werbetalhänge sind Tonschiefer mit Grauwackebänken des Unter-Karbons. Darüber liegen mächtige Zechsteinschichten mit hartem Dolomitfelsen. Örtlich, v. a. an den Hangfüßen, befinden sich Zechsteinasche, Zechsteinschutt und Lößlehm. Klimatisch besitzt das Tal durch seine geschützte Lage gegenüber anderen Kalkgebieten einen eher mild-warmen bis frischen Charakter.

Im Gebiet findet eine Beweidung mit Heidschnucken statt (siehe www.schnuckenprojekt.de).

Besucherhinweis:

Einen guten Blick auf interessante Bereiche des NSG hat man von der Klosterruine aus. (Zugang von der Straße nach Sachsenhausen). Quer unterhalb durch den Klosterberg verläuft das „Klosterpfädchen",von dem aus man die meisten Besonderheiten unmittelbar erleben kann. Vom Mühlweg in Ober-Werbe aus führt ein schöner Wanderweg durch das Werbetal entlang des gesamten NSG nach Alraft. Im Steinbruch an der Grillhütte bietet sich ein anschaulicher Einblick in die Zechstein-Überschiebung über Grauwacke- und Schiefer-Basis an der ehemaligen Meeresküste vor 250 Mio. Jahren.

 

 
NSG Langenstein bei Ober-Werbe auf einer größeren Karte anzeigen

 


 

Kurzübersicht Pflanzenwelt

Der südexponierte Klosterberg weist auf engstem Raum ein besonders reichhaltiges Mosaik verschiedenster Wärme liebender Lebensräume auf: Kalkfelsen mit Blaugras-Felsfluren und Felsspaltenvegetation, offene Blaugras-Rasen, lückige Kalk-Pionierfluren, Wärme liebende Gebüsche, Orchideen- und Platterbsen-Buchenwald sowie kleinflächig orchideenreiche Halbtrockenrasen. Nach stärkerer Freistellung wird der benachbarte Schmidteberg wieder von größerflächigen und gut ausgebildeten Kalkhalbtrockenrasen beherrscht. Eingebettet in überwiegend geschlossene Kiefern- und Mischwälder zeigt auch die Wehrstein-Umgebung südlich Alraft bunte Mosaike aus Blaugras-Felsfluren und -Halden, Halbtrockenrasen und Sukzessionsgebüschen. Das Kalk-Blaugras (Sesleria albicans) bildet auf den Felsköpfen und Felsbändern der Dolomitriffe natürliche Felsrasen, die in ihrem Grundaufbau mit den alpinen Matten verwandt sind und vielfältige Übergänge zu naturnahen Trockenrasen zeigen. Als dealpines Florenelement hat das Gras seinen Verbreitungsschwerpunkt in den Alpen und deren Randgebieten. In den nördlichen Mittelgebirgen gilt es als Eiszeitrelikt. Die relativ lichtbedürftige Art kann sich als Tiefspaltenwurzler und Schuttstauer nur an waldarmen, flachgründig-felsigen, aber im Untergrund nicht zu trockenen Sonderstandorten behaupten.


Dementsprechend sind die „dealpinen" Felsrasen in absonniger oder luftfeuchter Lage besonders charakteristisch ausgebildet. Die typische Artengarnitur dieser sogenannten Kreuzblümchen-Blaugrasrasen bilden Rotbraune Ständelwurz (Epipactis atrorubens), Wald-Habichtskraut (Hieracium murorum), Finger-Segge (Carex digitata), Behaarte Gänsekresse (Arabis hirsuta), Tauben-Skabiose (Sco-biosa columbaria), Mauerraute (Asplenium ruta-muraria) sowie Kalkfelsmoose luftfeucht-frischer Standorte. Speziell hier finden sich bezeichnenderweise Eiszeitrelikte wie das Gabelige Habichtskraut (Hieracium bifidum, dealpin), Dickstieliger Brauner Streifenfarn (Asplenium trichomanes ssp. pachyrachis), das auffällige Lebermoos Preissia quadrata und die arktisch-alpine Gewöhnliche Sackflechte (Solorina saccata).

In sonnenseitiger Lage treten in den Felsbandrasen Hufeisenklee (Hippo-crepis comosa), Hügel-Meier (Asperula cynan-chica), Gewöhnl. Sonnenröschen (Helianthemum nummularium ssp. ovatum) und Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria) hinzu und bilden natürliche Hufeisenklee-Blaugras-Tro-ckenrasen. An steilen, mit niedrigen Felsbändern und Schutt durchsetzten Offenhängen gehen sie über in halbnatürliche Blaugras-Rasen und -Halden. Diese Formationen sind mit der Waldrodung und Beweidung aus den natürlichen „dealpinen" Felsfluren, Steinhalden und lichten Hangwäldern entstanden. Auf dem Schutt bildet das Blaugras dort treppenartige Halden, in denen neben Hufeisenklee und Hügel-Meier weitere Trockenrasenarten vorkommen.

In besonders warmen Lücken findet man hier als Wärmezeitrelikt auch die seltene Bunte Erdflechten-Gesellschaft aus Roter Psora (Psora decipiens), Toninia coeruleonigricans und Squamarina cartilaginea. Am Langenstein, am mittleren Klosterfelsen und neben dem Kloster sowie im Bereich des Wehrsteines und seiner Nachbarfelsen kann man schöne Beispiele dieser natürlichen und halbnatürlichen Reliktrasen sehen.

Hinzu kommen an den senkrechten oder überhängenden Felswänden des Gebietes gut ausgebildete Kleinfarn-Felsspaltenfluren. Charakteristische Arten sind Mauerraute und Brauner Streifenfarn, teils in der oben erwähnten, hoch seltenen Unterart. Besonderheiten verkörpern auch die Felskopfflur mit Weißer Fetthenne (Sedum album), die auf den extrem heißen und kargen Felsabsätzen des Langenstein, des Klosterfelsens und bei Alraft ihre einzigen bekannten Naturstandorte im Kreis besitzt sowie natürliche Felsgebüsche der Gewöhnlichen Felsenmispel (Cotoneaster integerrima) an einzelnen Felskanten.

Ebenso erwähnenswert sind die Kalk-Pionierrasen (FFH-Lebensraumtyp), die neben freistehenden Felsköpfen auch kleinflächig grusige Bereiche innerhalb der Magerrasen mit ihren charakteristische Einjährigenfluren aus Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites). Doldiger Spurre (Ho/osteum umbellatum), Feld-Steinquendel (Acinos arvensis), Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides), Frühem Ehrenpreis (Veronica praecox), Thymianblättrigem Sandkraut (Arenaria serpyllifolia) besiedeln. Besonders gut ausgebildet finden sie sich am Oberhang des Klosterberges, kleinflächig auch am Schmidteberg.


Im Gebiet findet eine Beweidung mit Heidschnucken statt (siehe www.schnuckenprojekt.de).

 

Wo die Hänge feinerdereicher und tiefgründiger werden, so etwa an Unterhängen, in Mulden oder Plateaulage, gehen die Blaugrasrasen in klassische Kalkhalbtrockenrasen vom Typ Enzian-Fiederzwenken-Rasen mit der charakteristischen, im Kapitel Magerrasen (s. S. 3l) beschriebenen Artengarnitur über. Insgesamt neun Orchideenarten wachsen in den Magerrasen und lichten Wäldern des Naturschutzgebietes. Die Halbtrockenrasenfläche nördlich des Wehrsteins hat die beste Artenausstattung: Hier befinden sich Dreizähniges und Stattliches Knabenkraut (Orchis tridentata, 0. mascula) sowie in großer Individuenzahl Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera). Als regionale Rarität wächst hier das Große Windröschen (Anemone sylvestris) an seinem letzten erhaltenen Fundort in Waldeck-Frankenberg.

An vielen Stellen im Gebiet stocken Wärme liebende Gebüsche in unterschiedlicher Ausbildung. Ein besonders typisch und reichhaltig ausgebildetes Liguster-Berberitzen-Trockengebüsch mit Hartriegel, Kreuzdorn, Keilblättriger und Kleinblütiger Rose sowie Wolligem Schneeball ist am Oberhang direkt westlich des Klosters zu bewundern. Ob der Schneeball hier natürlich vorkommt oder aus dem Klostergartcn stammt, ist nicht eindeutig zu klären.

Der Seggen-Buchen-Wald am Klosterberg wurde früher vermutlich als Niederwald bewirtschaftet. Durch den dichten Kronenschluss der Bäume ist die Krautschicht eher gering entwickelt. Hier findet man z. B. Weißes und Rotes Waldvöglein (Cephalanthem damasonium, C. rubra), Braunrote Ständelwurz (Epi-pactis atrorubens) und ein großes Vorkommen des Fichtenspargels (Monotropa hypopitis).

An den Flanken des Langensteins gibt es als kleinflächiges Relikt auch naturnahen Blaugras-Krüppelbuchenwald. Aber auch einige der Kalk-Kiefernwälder, insbesondere die flachgründig-felsigen und lichten Ausprägungen, sind naturschutzfachlich interessant. Mit Blaugras, Rotbrauner Ständelwurz und Sichelblättrigem Hasenohr (Bupleurum falcatum) zeigen sie Beziehungen zu den naturnahen Kalk-Kiefernwäldern Süddeutschlands und der Randalpen. Leider sind in den letzten 20 Jahren viele Blaugras- und Magerrasenreste sowie kleine Felsfluren in Lücken oder im Unterwuchs lichter Kiefernbestände mittlerweile durch Sukzession verloren gegangen. Mögen sich ihre Reste außerhalb der Sonderpflegebereiche zu naturgemäßen Kalkbuchenwäldern mit lichten Vegetationsmosaiken und Felsrasen an geeigneten Sonderstandorten umgestalten bzw. zurück entwickeln.

Die Liste der Höheren Pflanzenarten für das NSG (Stand: 1988) nennt 291 Arten im Teilgebiet „Klosterberg" und 181 Arten im Teilgebiet „Schmidteberg". Als große floristische Besonderheit gilt u. a. der Gekielte Lauch (Allium carinatum), der nahe dem Kloster schöne Trockensäume besiedelt. Ob die ost-submediterrane Art mit den Nonnen eingeführt wurde, bleibt ebenfalls ungeklärt. Seit längerem verschollen sind das Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) und die Einknolle (= Elfenstendel) (Herminium monorchis) als Elemente frischer Kalkrasen.

Neben den genannten Raritäten der Bunten Erdflechten-Gesellschaft und der dealpinen Felsflur-Kryptogamen verdient die Jenenser Krugflechte (Gyalecta jenensis) auf Kalkgestein am Schmidteberg noch besondere Erwähnung.

Kurzübersicht Tierwelt

Das strukturreiche Gebiet mit seinen Felsfluren, Kalkmagerrasen, verbuschten Bereichen und Kalkbuchenwäldern ist eines der besten Schmetterlingsbiotope im Landkreis (bisher 90 Arten). Vier in Hessen stark gefährdete Arten kommen hier in guten Populationen vor: Graubindiger Mohrenfalter, Roter Würfel-Dickkopffalter, Komma-Dickkopffalter und Ockerbindiger Samtfalter. Gefährdet sind Zwerg-Bläuling, Schlüsselblumen-Würfelfalter, Silbergrüner Bläuling und Mattscheckiger Dickkopffalter, Weißklee-Gelbling, Jakobskraut-Bär und Thymian-Widderchen.

Aus der Gruppe der Heuschrecken, die an Trockenrasen gebunden sind, sind die Vorkommen des Steppengrashüpfers (s. S. 6l) und der Kurzflügeligen Beißschrecke bemerkenswert.

Zauneidechse und Schlingnatter sind für die sonnigen Standorte des NSG charakteristisch.

Insgesamt 20 Schneckenarten wurden registriert, darunter vornehmlich Kalk liebende.

 

Genauere Informationen zu Flora, Fauna und Insektenwelt des NSG finden Sie auf der Seite 142-145 in:
„Naturschutzgebiete in Hessen“, Band 4: Waldeck Frankenberg und Nationalpark Kellerwald-Edersee

 


 

 

NSG Langenstein bei Ober-Werbe