Wolfgang Lübcke
30 Jahre Naturschutzgebiete in den Ederauen
Der lange Weg zur Ausweisung der Naturschutzgebiete
Im Bereich der unteren Eder des Kreises Waldeck-Frankenberg wurden 1977 zwei Naturschutzgebiete ausgewiesen: „Ederauen zwischen Bergheim und Wega“ (70,65 ha) und „Unter der Haardt“ (32,46 ha). Beide gehören zu dem FFH-Gebiet „Untere Eder“ und sind Teil des Vogelschutzgebietes „Ederaue“.
Die Bemühungen um den Schutz der Ederaue reichen bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Der Wildunger Heimat- und Naturforscher Felix Pusch (1886 – 1948) richtete in seiner Funktion als Vertrauensmann für Naturschutz am 4. Mai 1932 - also vor 75 Jahren - einen Brief an den damaligen Landrat von Trotha in Bad Wildungen und setzte sich für den Schutz einer Kernzone bei Wega ein:
„Hiermit beantrage ich, dass in der Gemarkung Wega am rechten Ederufer westlich vom Wildebach gelegene Altwasser- und Sumpfgelände als Vogelschutzgebiet unter Naturschutz zu stellen. (…)
In dem Gelände nisten alljährlich Zwergtaucher, Blaukehlchen (heute in Waldeck-Frankenberg ausgestorben), Eisvogel, Wasseramsel, Teichrohrsänger, Schilfrohrsänger, Rotblessehuhn (Teichhuhn). Von durchziehenden Vögeln halten sich längere Zeit dort auf: Uferläufer, Lachmöwe, Strandläufer und Kiebitz. (…) Zu untersagen wäre das Entfernen von Schilf, das Abhauen von Sträuchern und Bäumen sowie jegliche Kiesentnahme. Der Bürgermeister von Wega (Fritz Störmer) hat sich mit der Unterschutzstellung einverstanden erklärt. (…) Das fragliche Gelände würde den einzigen Vogelschutzbezirk am ganzen Flusslauf der Eder darstellen.“
Seine Initiative hatte ein Schreiben des Landrats vom 24.5.1938 an den Regierungspräsidenten in Kassel zur Folge, in dem neben anderen „noch nicht oder noch nicht ausreichend“ geschützten Gebieten auch das „Vogelschutzgebiet am rechten Ederufer zwischen Anraff und Wega“ genannt wird. Wohl durch den Krieg kam es aber nicht zur Ausweisung eines Naturschutzgebietes.
Als der Ornithologe Eduard Schoof (1907 – 1980) als Studienrat seine Tätigkeit am heutigen Gustav-Stresemann-Gymnasium aufnahm, war er von dem naturnahen Charakter der Ederauen begeistert. Bereits 1953 veröffentlichte er einen Aufsatz in Werner Sunkels „Vogelring“ mit dem Titel „Die Vögel der Ederauen und die Auswirkungen ökologischer Veränderungen auf die Vogelwelt“, in einer Zeit, in der das Wort Ökologie noch weithin unbekannt war.
In dieser Veröffentlichung schrieb er: „Ich kenne keinen Mittelgebirgsfluss, der sich ein so urtümliches Gepräge bewahrt hat, wie es die Eder wenigstens streckenweise getan hat, trotz aller Regulierungen und Begradigungen, die sie sich im Verlauf des letzten Jahrhunderts hat gefallen lassen müssen, wie andere Flüsse auch. Das gilt ganz besonders für ihren Lauf etwa von Bergheim bis unterhalb von Fritzlar, der sich in alten Zeiten in großen Mäanderschlingen durch das (…) Tal hindurchwand. Durch umfangreiche Regulierungsarbeiten wurde das Bett stark verkürzt, so dass die Eder auf lange Strecken fast gerade in raschem Lauf dahineilt. Zahlreiche Flussschlingen wurden abgeschnitten (insbesondere wurde 1848/49 der große Ederbogen bei Anraff durch ein neues Flussbett abgeschnitten) und bilden heute allmählich verlandende Altwässer, die von Weiden, Pappeln und Erlen gesäumt sind.“ Am Schluss seines Aufsatzes weist Schoof auf Gefahren für die Ederauen hin. Zum einen waren drei bis vier Staubecken geplant, um im Ederseebereich zusätzliche Energie zu gewinnen: „So würden sämtliche Flussauen überflutet und damit verschwinden.“ Zum anderen beklagt er das Herausbaggern der Kiesbänke aus der Eder seit Anfang der fünfziger Jahre.
Die Entnahme von Kies erwies sich als schwerwiegender Fehler. Der damalige Anraffer Bürgermeister Heinrich Höhne sah sich 1954 zu einer Eingabe an den Minister für Landwirtschaft und Forsten gezwungen. Die Entnahme von Kies aus der Eder bei Wega und Mandern verursache einen von Jahr zu Jahr sinkenden Grundwasserstand. Schäden in der Landwirtschaft seien bereits festgestellt worden.
Anfang der 1960er Jahre sicherten die Wasserbauer im Bereich des Viadukts zwischen Anraff und Wega einen Uferabbruch mit einem Damm und Buhnen aus Felsbrocken. Diese Maßnahme veränderte die Flussdynamik erheblich.
1965 erhielten die Ederauen zwischen Affoldern und der Kreisgrenze den Status eines Landschaftsschutzgebietes, doch dieser erwies sich als wenig wirksam. Ausgerechnet im „Europäischen Naturschutzjahr“ 1970 wurde der Bereich oberhalb der Anraffer Brücke ausgebaggert: Eine natürliche Sohlschwelle wurde ausgekiest und kleine Buchten beseitigt. Opfer dieser Flussregulierung war auch die letzte Uferschwalbenkolonie in einem Steilufer der Eder. Vergeblich hatte Schoof darauf hingewiesen, dass der Grundwasserspiegel seit 1939 bereits um eineinhalb Meter gesunken war. Proteste der Ortsgruppe Anraff im DBV (jetzt NABU) und des Ederfischereiclubs blieben ungehört.
Schon 1969 erkundigte sich die Anraffer Vogelschutzgruppe (heute NABU Edertal) beim Landesverband des Deutschen Bundes für Vogelschutz (DBV) nach Möglichkeiten einer Ausweisung der Ederauen als Naturschutzgebiet. Eduard Schoof und Otto Hopff (Korbach) als Kreisnaturschutzbeauftragter nutzten das „Europäische Naturschutzjahr“ für einen offiziellen Vorstoß. Die Staatliche Vogelschutzwarte in Frankfurt stellte den Antrag, die Eder von Affoldern bis Fritzlar als Naturschutzgebiet auszuweisen. Sie verwies auf die landesweit herausragende Bedeutung der Eder. Das Regierungspräsidium in Kassel lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, es müssten noch einige Begradigungsmaßnahmen am Fluss durchgeführt werden.
Um in dieser Situation weiter zu kommen, arbeiteten Schoof und Hopff einen Vorschlag zur Ausweisung von elf kleineren Naturschutzgebieten aus, um zumindest die Kernzonen zu sichern. Bis zur Ausweisung der beiden jetzigen NSG war es aber noch ein langer Weg. Hilfreich waren in dieser Situation ausführliche Berichte des verstorbenen Wildunger Lokalredakteurs Dietger Rothhaas in der Waldeckischen Landeszeitung vom 27. und 30.3.1971 unter der Überschrift „Die Ederauen – kurz vor ihrem Ende?“. Er prangerte wilde Müllablagerungen und unkontrollierte Kiesausbeute an. Zumindest gelangte nun der Schutz der Ederauen in die öffentliche Diskussion.
Dass es dann endlich 1977 zur Ausweisung zweier größerer Naturschutzgebiete kam, ist wesentlich dem Verhandlungsgeschick und dem beharrlichen Engagement des verstorbenen Vorsitzenden der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) Willy Bauer (Frankfurt) zu verdanken. Letztes Hindernis war noch eine Parzelle im Altwasserbereich bei Anraff, für die ein Landwirt bereits eine Genehmigung als Bauschuttkippe (!) hatte. Da das Land Hessen ihn nicht entschädigen konnte, erwarb die HGON dank einer Spende des Wetzlarer Ornithologen Fritz Freitag diese Fläche und ermöglichte so die Ausweisung der Ederauen als Naturschutzgebiet.
Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Situation
Noch 1970 hatten in dem Altwasserbereich zwischen Anraff und Wega drei Krickenten-Paare erfolgreich gebrütet (LÜBCKE u. SPERNER 1970). Durch das fortschreitende Absinken des
Ederspiegels infolge der Begradigungsmaßnahmen fielen in zunehmendem Maße die Altwasserbereiche während der Brutzeit trocken, so dass die Krickente dieses Brutgebiet aufgeben musste. Der damalige Kreisnaturschutzbeauftragte Dr. Hans Bossel (1907 – 1981) hatte die Idee, dem Altwasserbereich durch eine Rohrleitung Wasser aus der Eder zuzuführen. Diese wurde auch gebaut, aber infolge einer falschen Nivellierung leider zu kurz, um ihre Funktion erfüllen zu können.
Pflegemaßnahmen bewirkten etliche Verbesserungen der ökologischen Situation, insbesondere im NSG „Ederauen zwischen Bergheim und Wega“.
Im Rahmen Besucher lenkender Maßnahmen wurden wertvolle Bereiche durch Gräben oder Baumstämme unwegsam gemacht und u. a. zwei Wege eingezogen. Auf Anregung der Edertaler Naturschützer legte die Obere Naturschutzbehörde andererseits einige Lagerplätze mit Sitzgruppen an (Anraffer Brücke, ehemaliger Holzlagerplatz Wellen und Badeplatz Wellen), weil sie entlang des sieben Kilometer langen Flussabschnitts auch Angebote für die Menschen als wichtig erachtete.
Am rechten Ederufer wurde das Altwasser durch Ausbaggern renaturiert. Diese Maßnahme erfolgte in guter Kooperation zwischen dem NABU Edertal (Hartmut Mai) und dem Forstamt Bad Wildungen (Horst Zeller). In diesem Bereich wurden auch die standortfremden Hybridpappeln gefällt. Durch Sukzession hat sich diese Fläche inzwischen sehr naturnah entwickelt. Auf Initiative von Hartmut Mai wurde zudem eine Reihe von Kleingewässern im Rahmen des Amphibienschutzprogramms des NABU Edertal angelegt.
Im NSG „Unter der Haardt“ verzichtete die Stadt Bad Wildungen nach Auslaufen des Vertrages auf die weitere Verpachtung der ehemaligen Kiesbaggerteiche auf dem rechten Ederufer bei Mandern. Die Teiche wurden durch Rinnen miteinander verbunden und von unten her an die Eder angebunden, so dass bei höherer Wasserführung Flusswasser in die Teiche gelangen kann. Diese Maßnahme hat sich jedoch nicht als optimal erwiesen.
Um der Vertiefung des Flussbettes entgegenzuwirken, ließ die Obere Naturschutzbehörde (Regierungspräsidium Kassel) 2001 und 2004 zwischen Anraff und Wellen zwei Sohlgleiten anlegen. Diese hoben den Wasserspiegel der Eder insgesamt um einen Meter an. In dem Altwasser auf dem rechten Ufer oberhalb der unteren Sohlgleite sind bereits positive Auswirkungen zu erkennen. Der Bereich unterhalb dieser Sohlgleite hat sich bereits wieder sehr naturnah entwickelt mit Mäanderbildung, Kiesbänken, Stromschnellen und Uferabbrüchen.
Als die erste Sohlgleite entstand, fehlte es hessenweit an Erfahrungen mit solchen Bauwerken. Aus ökologischer Sicht galt es, die Passierbarkeit für Wasserlebewesen zu gewährleisten. Da die Sohlgleite bei Hochwasser am rechten Ufer umspült worden war, mussten Nachbesserungen in der Bauausführung erfolgen. Schwierig war die Gestaltung der Bootsgassen. Bei der zweiten Sohlgleite wurden daher Fachleute und Vertreter der Kanuten zu Rate gezogen.
Renaturierung weiter auf der Tagesordnung
Zwar ist die Eder einer der saubersten Flüsse in Hessen (Gewässergüteklasse II, teilweise sogar I), aber ihre Strukturgüte weist streckenweise geringe Werte auf, sie schwanken zwischen den Kategorien 4 (deutlich verändert) und 6 (sehr stark verändert). Gleichwohl besitzt das untere Edertal einen vergleichsweise wertvollen Auenkomplex mit ausgedehnten Weichholzauen, Auwaldresten, Flussstauden- und Uferfluren, Schotterbänken und temporären Gewässern sowie Stromschnellen und Staubereichen.
Wegen der Defizite in der Strukturgüte der Eder besteht jedoch Handlungsbedarf. Nach der EU-Gewässerrichtlinie ist die Gemeinde Edertal verpflichtet, bis zum Jahr 2015 die Strukturgüte mindestens bis zur Kategorie 3 zu verbessern. Eine gute Möglichkeit dazu bietet ein gemeinsamer Vorschlag von NABU und Ederfischereiclub zur Renaturierung eines 400 Meter langen Abschnitts links unterhalb der Anraffer Brücke. In diesem Bereich hat der Fluss einen kanalartigen Charakter. Eine alte Flutrinne könnte wieder geöffnet und an die Eder angebunden werden. Ein Kasseler Fachbüro hatte bereits eine Grobplanung dazu vorgelegt. Die Finanzierung sollte zu 80 Prozent durch das Landesprogramm „Naturnahe Gewässer“ und zu 20 Prozent aus der Ausgleichsabgabe erfolgen, also ohne finanzielle Belastung der Gemeinde. Gleichwohl legten im Herbst 2005 die Gemeindegremien das Projekt vorerst auf Eis. Im Gemeindehaushalt 2008 sind nun 5000,- € für eine Planung eingestellt, in deren Rahmen auch Alternativen untersucht werden sollen.
Die Natur erleben – der Natur geben!
Anfang 2001 hatten die NABU-Gruppen Edertal und Bad Wildungen ein „Konzept zur touristischen Aufwertung des Ederauen-Radweges zwischen Fritzlar und der Ederseesperrmauer im Sinne der stillen Erholung“ vorgelegt. Die beiden Gruppen sahen die Chance für ein Modellvorhaben im Sinne eines naturverträglichen Tourismus. Unter dem Motto „Naturerleben in den Ederauen“ wurden die sechs Naturschutzgebiete dieses Ederabschnitts als großräumiges Verbundsystem ausdrücklich in die Konzeption einbezogen.
Es sind die NSG
Stausee von Affoldern (165 ha)
Schwimmkaute bei Mehlen (9,8 ha)
Krautwiese am Wesebach (17 ha)
Ederauen zwischen Bergheim und Wega (70,6 ha)
Unter der Haardt (32,46 ha)
Schlämmteiche bei Geismar (26, 8 ha).
Motivation für dieses Konzept war zum einen die Devise des NABU „Für Mensch und Natur“. Zum anderen möchten die Initiatoren die Einsicht stärken, dass zu einem solchen Konzept der Schutz der Ederauen, insbesondere Renaturierungsmaßnahmen an der Eder und die Förderung des Auwaldes gehören. Die touristische Aufwertung der Ederauen muss mit einer Aufwertung der Natur einhergehen.
Nach einem entsprechenden Beschluss der Edertaler Gemeindevertretung Anfang 2003 erarbeitete das Büro cognitio (Niedenstein) ein Konzept für den Ederauen-Erlebnispfad „Leben am Fluss“, der in den Ederauenradweg von der Quelle bis zur Mündung eingebunden ist. Die Realisierung erfolgte Ende 2003. Dazu wurde eine 32-seitige Broschüre „Ederauen-Erlebnispfad“ mit englischen Kurztexten herausgebracht.
Einen hohen Erlebniswert hat die Eder sicherlich für Kanufahrer. Bootstouren auf dem Fluss haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Es musste eine Regelung gefunden werden, die einerseits dem Freizeitbedürfnis Raum lässt, die Nutzung mit Booten aber in naturverträglichen Grenzen hält. Dazu setzten sich Vertreter der Naturschutzbehörden und Gemeinden, des Kanusports, der kommerziellen Anbieter, des Ederfischereiclubs sowie von NABU und HGON an einen Tisch. Die Moderation übernahm der Kellerwaldverein. Es konnte eine Einigung erzielt werden, die ihren Niederschlag in der „Allgemeinverfügung des Regierungspräsidiums Kassel zur Genehmigung der Benutzung der Eder mit Wasserfahrzeugen vom 15. Dezember 2006“ fand (Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 22. Januar 2007, S. 192-193). Wichtig aus Naturschutzsicht ist, dass die Eder in der Zeit vom 1. November bis 30. April grundsätzlich nicht befahren werden darf, denn sie hat als Rast- und Überwinterungsgebiet nordischer Wasservögel eine herausragende Bedeutung. Für gewerbliche Anbieter sind zwischen dem 1. Mai und dem 30. Oktober gestaffelte Kontingente festgelegt worden.
Fauna und Flora
Die gute Wasserqualität des Flusses ist an den üppigen Beständen des Flutenden Hahnenfußes zu erkennen. Wenn er von Juni bis August blüht, bildet er ausgedehnte weiße Blütenteppiche: „Die Eder blüht!“
Da das Wasser aus den Tiefenschichten des Edersees abgelassen wird, ist es relativ kühl und somit sauerstoffreich. Die Eder ist deshalb ein hervorragendes Gewässer für lachsartige Fische (Salmoniden), insbesondere Forellen (Bach- und in geringer Zahl auch Regenbogenforellen) sowie Äschen. Die Äschen sind aber in dem strukturarmen Gewässer u. a. durch den Kormoran zurückgegangen. Insbesondere, wenn die Stauseen zugefroren sind, weicht dieser zur Nahrungssuche auf die Eder aus. Weiterhin kommen in der Eder folgende Fischarten vor: Hecht, Zander, Flussbarsch, Döbel, Barbe, Aal, Quappe und die Groppe, die einen europäischen Schutzstatus hat.
Aus der Gruppe der Weichtiere findet man winzige Erbsenmuscheln und unter den Kieselsteinen Mützenschnecken.
Ein schönes Erlebnis ist es, wenn man einen Eisvogel beobachten kann. Da die Eder kaum noch Steilwände aufweist, wie sie auch die Uferschwalbe zum Bau ihrer Brutröhren benötigt, findet der Eisvogel in der Regel nur an den einmündenden Bächen geeignete Brutplätze. Für den Flussregenpfeifer- einst Charaktervogel der Eder - fehlen heute die nötigen großflächigen Kiesbänke. Vereinzelt konnte im Lauf der Jahre immer mal wieder eine Brut des landesweit sehr seltenen Flussuferläufers nachgewiesen werden. Im Gegensatz zum Flussregenpfeifer nistet er auf bereits begrünten Kiesschotterflächen. Auf dem Durchzug ist der Flussuferläufer aber regelmäßig anzutreffen. Man kann ihn dann gut auf dem Hahnenfußteppich bei der Nahrungssuche beobachten. Der knapp drosselgroße, auf der Oberseite kieselfarbene Vogel ist an seinem charakteristischen Wippen mit dem Schwanz zu erkennen.
Der Flutende Hahnenfuß bietet übrigens eine reiche Nahrungsquelle für eine ganze Reihe von Vogelarten. Wenn man ein Büschel der Wasserpflanze herausreißt, findet man zwischen den fein zerschlitzten Blättern Unmengen von Würmern und Insektenlarven, z. B. der Kriebelmücke. Auf dem Pflanzenteppich kann man u. a. Bach- und Gebirgsstelzen und sogar Teichhühner beobachten. Insbesondere Junge führende Stockenten- und Reiherentenweibchen sind vorzugsweise in den Flussbereichen zu beobachten, wo der Hahnenfuß wächst. Höckerschwäne halten sich gern das ganze Jahr über auf der Eder auf. Sie ernähren sich auch von der Wasserpflanze. Bei starker Wasserführung der Eder im Winter weichen die Schwäne auf benachbarte Saat- und Rapsfelder aus.
Für überwinternde Schwimmvögel und Graureiher hat die Eder eine herausragende Bedeutung. Das belegen immer wieder die Wintervogelzählungen an der gesamten hessischen Eder, die etwa 50 Ornithologen alljährlich seit 1995/96 an zwei Stichtagen durchführen. Beispielhaft seien die Ergebnisse im Winter 2006/2007 (31.12.06 und 4.2.07) für einige Arten aus dem Abschnitt Ederseesperrmauer bis zur Kreisgrenze bei Mandern wiedergeben:
Höckerschwan: 124/81
Gänsesäger: 74/45
Stockente: 411/384
Reiherente: 151/148
Blässhuhn: 366/308
Graureiher: 56/27
Unterhalb der Wegaer und der Manderner Brücke kann man in den Wintermonaten häufig Wasseramseln beobachten, die in dem eiskalten Wasser nach Insekten tauchen. Sie weichen auf die Eder aus, wenn die Bäche zugefroren sind.
Das Ufergehölz ist Überwinterungsplatz für viele Kleinvögel, u. a. Kleiber, Zaunkönig oder Rotkehlchen. Finkenvögel wie Stieglitz und Dompfaff finden an der Staudenflora Nahrung.
Stieglitze kann man z. B. häufig an der Weberkarde oder Dompfaffen an Rainfarn und Brennnessel beobachten.
In den Weichholzauen der Eder hat sich in den letzten Jahren ein bemerkenswerter Nachtigallenbestand entwickelt. In der Talaue zwischen Affoldern und Mandern (12 Flusskilometer) zählten die heimischen Ornithologen 2006 72 singende Männchen. Das entspricht sechs Revieren pro Flusskilometer. Somit weist die untere Eder - insbesondere auch in den beiden Naturschutzgebieten - den bedeutendsten Nachtigallenbestand in Nordhessen auf.
In der Weichholzaue brüten neben der Nachtigall zahlreiche andere Vogelarten. Als charakteristische Vertreter seien genannt: Gelbspötter, Kleinspecht, Wacholderdrossel, Mönchs- und Gartengrasmücke, Grauschnäpper und Gartenbaumläufer. Aus der Gruppe der Spechte brüten hier auch Bunt-, Grün- und Grauspecht. In offeneren Bereichen mit Hecken sind Neuntöter und Dorngrasmücke als Brutvögel anzutreffen. Staudenfluren bieten dem Feldschwirl Lebensraum.
Kreisweit hat der Kuckuck im unteren Edertal einen Verbreitungsschwerpunkt. Gelegentlich kann man auch den Pirol hören. Ein Brutnachweis steht aber noch aus. In den Naturschutzgebieten oder im Randbereich brüten zwei Greifvogelarten. Neben dem Mäusebussard ist das Vorkommen des Schwarzen Milans hervorzuheben.
Eine Besonderheit unter den Amphibien ist das Vorkommen des Kammmolchs an einem von Menschenhand geschaffenem Stillgewässer.
In dem Naturschutzgebiet „Unter der Haardt“ wurden bisher 20 Libellenarten erfasst, die überwiegend an die ehemaligen Kiesgruben und Kleingewässer gebunden sind. Drei Arten sind in der Roten Liste Hessens als gefährdet eingestuft: Kleines Granatauge, Braune Mosaikjungfer und Gefleckte Heidelibelle. An der Eder kommen die Gebänderte Prachtlibelle und in strömungsberuhigten Bereichen die Federlibelle vor. Der Insektenkundler Bernd Hannover (Bad Wildungen) hat in dem Naturschutzgebiet „Ederauen zwischen Bergheim und Wega“ 128 Schmetterlingsarten nachgewiesen und in dem NSG „Unter der Haardt“ sogar 182 Arten.
Unter den besonders bemerkenswerten Schmetterlingsarten ist der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling zu nennen, der europaweit geschützt ist. Vom Karden-Samenwickler gelang in den Ederauen der einzige neuere Nachweis in Hessen. Weitere seltene Charakterarten sind Gelbwürfliger Dickkopffalter, Weißbindiges Wiesenvögelchen, Brauner Bär und Jakobskraut-Bär. Bei einigen Arten weist schon der deutsche Name auf die Nahrungspflanzen ihrer Raupen hin, die für die Ederauen charakteristisch sind: Beifuß-Blütenwickler, Natternkopfzünsler, Malven-Dickkopffalter oder Reseda-Weißling. Das gilt auch für einige Käferarten, wie Hartheu-Fallkäfer, Blauer Weidenblattkäfer oder Gilbweiderich-Erdfloh.
Charakteristische Pflanzen der feuchten Hochstaudenfluren sind: Knolliger Kälberkropf, Gewöhnlicher Beinwell und Blutweiderich. An den Ufersäumen dominiert das Rohrglanzgras.
Hier wächst auch die geschützte, gelb blühende Sumpfschwertlilie oder Iris. Pestwurzfluren mit ihren rhabarberähnlichen Blättern finden sich in den Auwäldern und feuchten Mulden oder Flutrinnen als Pferdeweiden genutzter Grünlandflächen.
Typisch für die Flora trockener Kiesschotterbänke sind Großblütige Königskerze, Gelber Wau, Gewöhnlicher Natternkopf, Rainfarn und echtes Seifenkraut. Örtlich gibt es noch Auen-Trockenrasen mit z. B. Mauerpfeffer, Hasenklee und Thymian. Charakterpflanze der Auwälder ist der Wilde Hopfen.
Im Bereich der Ederbrücke bei Mandern existiert eine Population der Schwarzpappel, einem seltenen Baum der Weichholzaue, der 2006 zum Baum des Jahres gewählt wurde. Zusammen mit dem Vorkommen bei Obermöllrich handelt es sich um einen hessenweit bedeutsamen Bestand.
Literatur
LÜBCKE, W. u. K. SPERNER (1970): Die Krickente – Anas crecca – Brutvogel an der Eder. Luscinia 41: 91-92
LÜBCKE, W. (1987): Geschichte des Naturschutzes in Waldeck. Korbach/Bad Wildungen
LÜBCKE, W. (1993): Die Vögel der Ederauen und die Auswirkungen ökologischer Veränderungen im Edertal auf die Vogelwelt – eine vergleichende Betrachtung nach 40 Jahren. Sonderdruck aus: Vogelkundliche Hefte Edertal 19/1993
LÜBCKE, W. (2004): 30 Jahre HGON-Arbeitskreis Waldecki-Frankenberg. HGON- Mitglieder-Information 02/04: 34-35
LÜBCKE, W. u. A. Frede (2007): Naturschutzgebiete in Hessen, Bd. 4, Landkreis Waldeck-Frankenberg mit Nationalpark Kellerwald-Edersee. Niedenstein, in Vorbereitung
MEIER, W. u. W. LÜBCKE (2002): Perlen der Landschaft. Edertaler Naturschutzgebiete und Naturdenkmale. Bad Wildungen
SCHOOF, E. (1953). Die Vögel der Ederauen und die Auswirkungen ökologischer Veränderungen im Edertal auf die Vogelwelt. Vogelring 22: 139-153