Kraniche auf der Reise
- Faszination Vogelzug -


Erste Zugkeile der Großvögel im Raum Bad Wildungen und Edertal registriert

HNA, 14.10.2006

BAD WILDUNGEN/EDERTAL. Der Mittwoch dieser Woche bescherte in der Region den ersten Kranich-Zugtag auf dem Herbstzug der Großvögel in die Winterquartiere, berichtete Wolfgang Lübcke vom Naturschutzbund (NABU) Edertal: „Offensichtlich herrschte eine günstige Wetterlage."

 

Der Winter naht: Am Mittwoch sind im Bereich Bad Wildungen-Edertal die ersten Kranichzüge dieses Herbstes beobachtet worden.
Das Archivbild entstand im Landkreis Märkisch-Oderland. Archivfoto: Patrick Pleul/dpa/nh

Die charakteristischen Zugkeile der fast menschengroßen Vögel seien keineswegs überall in Deutschland zu beobachten. Waldeck-Frankenberg liege jedoch innerhalb des breiten Korridors, über dem die Tiere von ihren skandinavischen Brutgebieten in ihre spanischen Winterquartiere ziehen.

Für die Internetseite des Naturschutzbundes wurden von elf Beobachtern 18 Kranichzüge gemeldet, alle aus dem Bereich von Bad Wildungen und Edertal, sagt Lübcke. Bereits ab Mitte August haben sich die Kraniche an ihren Rast- und Sammelplätzen im Bereich der deutschen Ostseeküste eingefunden. Die Zugzeit im Frühjahr habe sich in den vergangenen Jahren auffällig schon in den Februar hinein verlagert. Ebenso flögen die Tiere im Herbst deutlich später nach Südwesten. Lübcke: „Noch bis weit in den Dezember hinein können über Waldeck-Frankenberg Kraniche beobachtet werden. Hauptzugmonate sind jedoch Oktober und November."

Die Beobachtung am ersten herbstlichen Zugtag erfolgten alle zwischen 17.20 und 19.30 Uhr. Diese Feststellung passe gut zu der Beobachtung eines heimischen Ornithologen am selben Tag im Ostharz: Über Ilsenburg flogen um 15 Uhr zwei Kranichzüge. Bei günstigen Windverhältnissen können die Vögel beachtliche Flugleistungen erbringen. Die täglichen Zugstrecken liegen zwischen 100 und 1000 Kilometern. Der größte Zugkeil in unserem Kreisgebiet wurde am Mittwoch mit 400 bis 450 Vögeln über Altwildungen erfasst.

Der Brutbestand der Kraniche in Skandinavien und in Nordost-Deutschland hat sich laut Lübcke positiv entwickelt. So seien während des Heimzuges in die Brutgebiete im Frühjahr 2005 über Waldeck-Frankenberg 42 000 Kraniche gezählt worden.

Der Naturschutzbund bittet auch weiterhin um Mitteilung aller Kranich-Beobachtungen. Dabei sei die Ermittlung der Truppgröße wichtig. Bei größeren Schwärmen rät Lübcke eine Abschätzung in Zehnergruppen. Das Festhalten des Beobachtungsortes, der genauen Uhrzeit und der Zugrichtung vermeide Mehrfachzählungen.
(eds)

Hier gehts zur Beobachtungsdatenbank des NABU Waldeck-Frankenberg.

 

WLZ, 16.12.2006

Naturschutzbund meldet ungewöhnliche Beobachtungen - Vogelzug verzögert
Immer noch Kraniche unterwegs

WALDECK - FRANKENBERG (sr). Amseln flöten ihren Gesang, Zaunkönige schmettern ihr Lied, Rotmilane kreisen in der Ederaue, Kraniche trompeten am Himmel - der Vogelzug ist angesichts der milden Temperaturen im November und Dezember noch längst nicht abgeschlossen.

Ornithologen haben in den vergangenen Tagen vermehrt Zugvögel beobachtet, die noch immer im Kreis verweilen. Setzt sich damit der Trend fort, dass immer mehr Vogelarten versuchen, in milden Wintern zu bleiben? Ein Blick in die Beobachtungsdatenbank des Waldeck-Frankenberger Naturschutzbundes beweist die vielen außergewöhnlichen Beobachtungen in den vergangenen Wochen.

Während der Kranichzug als typisches Zeichen des herannahenden Winters früher meist Anfang November abgeschlossen war, flogen in den vergangenen Tagen vermehrt Trupps dieser Großvögel über den Kreis. Höhepunkt des Kranichzugs war in diesem Jahr der 3. November. Nach ersten Auswertungen zogen rund 80 000 Kraniche über Hessen.

In Waldeck-Frankenberg wurden weitere Vögel am 21. und 22. November gemeldet. Einen großen Flugtag verzeichneten viele aufmerksame Beobachter am 28. und 29. November. Ob in Mengeringhausen, Frankenberg, Affoldern, Laisa oder Asel - überall wurden Kraniche gesichtet. Über Friedrichshausen kreisten die Zugvögel sogar mehrere Stunden und rasteten auf einem Feld.

Auch aus der Ederaue bei Rennertehausen sind am nächsten Morgen Kraniche im dichten Nebel aufgestiegen. Weitere Zugbeobachtungen liegen dem NABU vom 10. Dezember vor. Am 12. Dezember zogen Kraniche über Braunau, Bad Arolsen, Rosenthal und Asel hinweg. Maik Sommerhage meldete am Donnerstag, 14. Dezember, erneut Kraniche über Bad Arolsen.

Zuletzt waren 1982 solch späte Zugdaten beobachtet worden. Eine weitere Ausnahmebeobachtung liegt vom 25. Dezember 1992 vor.

Im Flug bilden die Kraniche eine V-förmige Formation mit kräftigen, erfahrenen Tieren an der Spitze (Foto: bc). Es folgen Familien mit durchschnittlich zwei Jungtieren. Bei konstanten Flugbedingungen können die Tiere ohne Halt bis nach Spanien und Portugal fliegen.

Eine Besonderheit im Flugverhalten haben Naturfreunde um die Flugplätze Wiesbaden-Erbenheim und Frankfurt beobachtet. Dort waren die Flugverbände wegen der fliegenden Konkurrenz startender und landender Flugzeuge erstaunt oder irritiert. Ein Video von Albert Schmidt zeigt das Zusammentreffen eines Kranichzuges und eines Flugzeuges und die Auflösung der Kranich-Flugformation. Der NABU stellt das Video auf seiner Homepage www.NABU-Hessen.de im Internet vor.

Waldeck-Frankenberger Ornithologen meldeten auch zahlreiche andere Besonderheiten aus der Vogelwelt:
Günter Faust beobachtete fünf Rotmilane in der Ederaue, die normalerweise längst nach Süden gezogen sind. Wilhelm Depner hörte einen singenden Hausrotschwanz, Gerhard Kalden ein volltönendes Rotkehlchen in Frankenberg. Auch Feldlerchen und Bachstelzen sind noch da. An der Frankenberger Ederberglandhalle schmetterte ein Zaunkönig sein Lied. An vielen Stellen im Kreis flöten Amseln morgens und abends ihren Gesang.

Nicht nur die Vogelwelt, auch die Pflanzenwelt reagiert auf die milden Temperaturen. An windgeschützten Stellen treiben Büsche und Sträucher aus. Viele Wiesen sind noch saftig grün, Blüten von Scharfgarbe und Glockenblumen erstrahlen in bunter Farbe.

Um die Veränderungen und Besonderheiten der Natur noch besser dokumentieren zu können, bittet der NABU im Kreis, interessante Beobachtungen weiterhin unter www.nabu-waldeck-frankenberg.de per Internet oder unter Telefon 0721/151422152 zu melden.

 

Berichte: HNA, 14.10.2006; WLZ, 16.12.2006