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Twistevorstau
Schlamm verdirbt den Ruf


Bereits die Hälfte des Volumens durch Verschlammung  verloren

U. Trautmann, HNA, 23.12.2007

VON URSULA TRAUTMANN

 Problematisch: viele Ackerflächen wie hier bei Braunsen grenzen direkt an die Twiste
oder ihre Nebenbäche, Foto: Trautmann

Nach starken Regenfällen ist der Vorstau braun vom Schlamm. Foto: Trautmann

Auch der Hauptstau ist nach Regenfällen oft schlammbraun. Foto: Trautmann

TWISTESEE. „Igitt, was packt mich da am Bein?“ Beim Schwimmen im Twistesee passiert es immer häufiger; ein unangenehmes Gefühl macht sich breit, wenn einen haarige Wasserpflanzen festzuhalten scheinen. Zeitweise haben sich in den letzten Jahren auch Algen übermäßig ausgebreitet, und nach starken Regenfällen durchzieht eine braune Schlammfahne den See.

Das „Dorado für Wassersportler“ mit „Strandbad und Sandstrand zum Nulltarif“ – so die Werbung der Stadt Bad Arolsen – verliert allmählich seinen Reiz und seinen guten Ruf.

Schuld ist die Verschlammung des Twistevorstaus. Dieses 14 Hektar große Seegebiet wurde beim Bau der Talsperre in den 70er Jahren als Vogelschutzgebiet eingerichtet und sollte bei Twistehochwasser mitgeführten Unrat sowie Sand und Steine vom Hauptsee fernhalten. Vor über 30 Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesen, haben sich hier viele seltene Vogelarten angesiedelt. Doch die Funktion als Sedimentfang kann der Vorstau immer weniger erfüllen.

Bereits jetzt hat er die Hälfte seines ursprünglichen Volumens durch Verschlammung verloren, und in etwa 30 Jahren könnte die Wasserfläche ganz verschwunden sein.

Das denkt Dr. Eckhard Jedicke aus Bad Arolsen, der von Jugend an die Entwicklung des Vorstaus verfolgt und mehrere wissenschaftliche Arbeiten und Gutachten zu dem Thema geschrieben hat. Problematisch für den See sind seiner Meinung nach neben den eingeführten Bodenpartikeln auch die Nährstoffe aus Düngemitteln. Die führen zu verstärktem Wuchs von Wasserpflanzen wie Laichkräutern und zur Verbreitung von Algenarten.

Da die Talsperre dem Hochwasserschutz sowie Freizeit und Tourismus dienen soll, müsste jetzt von den Verantwortlichen gehandelt werden, so Jedicke. Initiative sei gefragt, damit Vertreter von Gemeinden, Wasserwirtschaft und Naturschutzverbänden am runden Tisch über Schadensbegrenzung und Ursachenbehebung beraten. Und handeln. Zumal bis 2015 nach europäischen Richtlinien alle Fließ- und Stehgewässer in einem guten Zustand sein müssen.

Für den Vorstau könnte Jedicke sich eine Ausbaggerung in zwei Schritten vorstellen; erst die eine Hälfte, und einige Zeit später die zweite. Damit könnte die Tierwelt auf der jeweils unberührten Fläche überleben. Zwecks Ursachenbehebung müsste ein Auenschutzkonzept entworfen werden, dessen Umsetzung weiteren Schlammeintrag verhindert. Ackerflächen müssten zugunsten extensiver Grünlandnutzung weichen. Dass derartige Kooperation mit den Landwirten funktionieren kann, beweise das Grünlandprojekt Biosphärenreservat Rhön, sagt der Wissenschaftler. Für die hohen Kosten des aufwändigen Projektes Twistesee würden sicherlich Fördermittel verschiedener Institutionen fließen, sodass es letztlich leicht umzusetzen sei. Jedicke appelliert also an die Stadt Bad Arolsen, den Hessischen Wasserverband Diemel als Träger der Talsperre, dem die Stadt sowie der Landkreis ohnehin angehören und die Naturschutzverbände: Gemeinsam an den runden Tisch! (zut)

Hintergrund zu Twistesee/Vorstau

Anlass für den Bau der Twistetalsperre waren Millionenschäden durch Hochwasser in den Bereichen von Twiste, Diemel und Weser im Jahr 1965. Zu den Maßnahmen zur Gewässerregulierung gehörte unter anderem die Errichtung von Hochwasserrückhaltebecken. Unter Berücksichtigung von Freizeit- und Erholungswert wurde zwischen 1972 und 1979 die Twistetalsperre erbaut; Träger ist der Hessische Wasserverband Diemel mit Sitz in Hofgeismar.

Die Baukosten betrugen 37,5 Millionen Mark. Die Talsperre hat eine Länge von drei Kilometern, eine Staufläche von 121 Hektar und einen maximalen Wasserinhalt von 9,1 Millionen Kubikmetern. Weil der Twistesee frei von jeglicher Abwassereinleitung ist, zählte er lange Zeit zu den saubersten Seen Deutschlands.

Da der zur Sedimentrückhaltung erbaute und als Naturschutzgebiet ausgewiesene Vorstau durch große Eintragung von Schlamm aus umliegenden Äckern immer mehr verlandet, kann er seine Aufgabe zur Reinhaltung des Hauptsees nicht mehr erfüllen. Als Folge leidet nun dessen Wasserqualität. (zut)
 

Bericht von U. Trautmann