POSITION
 


Stellungnahme zu dem geplanten Skigebiet am Peterskopf im Waldschutzgebiet Edersee

Gemeinde Edertal, Landkreis Waldeck-Frankenberg

 

0. Allgemeines

Eine private Investorengruppe plant, im Waldschutzgebiet Edersee ein Skigebiet mit einer sechs Kilometer langen Langlaufloipe und einer 2000 Meter langen Abfahrtspiste zu errichten. Die Trasse der Skipiste soll zugleich als Sommerrodelbahn genutzt werden. Die dafür zu rodende Waldfläche wird mit etwa 10 Hektar angegeben. Aus Gründen der Verkehrssicherheit muss jedoch mit einer deutlich größeren Fläche gerechnet werden, die entweder gerodet oder dauerhaft einer natürlichen Entwicklung entzogen wird.

Für das Projekt werden derzeit Investitionen von rund 8 Mio. DM veranschlagt (Wald. Allgemeine vom 22.12.2000).

Dieses Projekt wirft aus Gründen das Natur- und Landschaftsschutzes und der Regionalentwicklung erhebliche Probleme und Fragestellungen auf.  Die folgenden Aspekte sind bei einer Beurteilung unbedingt zu betrachten:

  

1. Rechtlicher Status des Gebietes

Der Projektbereich liegt im Landschaftsschutzgebiet „Waldschutzgebiet Gatter Edersee“. Dieses LSG hat einen besonderen Status und hebt sich naturschutzrechtlich deutlich von den anderen großflächigen LSG ab.

Als Bannwald genießt das Waldschutzgebiet den höchsten Schutzstatus nach dem Hessischen Forstgesetz (Staatsanzeiger 47/1991). Rodungen sind deshalb verboten.

Die hessische Landesregierung hat das Gebiet am 11.09.1998 bei der Europäische Kommission als sogenanntes FFH-Gebiet (nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) angemeldet und dabei dessen ökologische Wertigkeit als sehr hoch eingestuft (laut Meldebogen:“ soll Nationalpark werden“).

Zusätzlich zu der FFH-Meldung hat das Land Hessen den Bereich südlich des Edersees als europäisches Vogelschutzgebiet angemeldet.

Das Gebiet des Kellerwaldes wurde von der internationalen Vogelschutzorganisation BirdLife als „Important Bird Area“ eingestuft und ist damit ebenfalls potenzielles europäisches Vogelschutzgebiet nach der Europäischen Vogelschutzrichtlinie.

Das Projektgebiet grenzt direkt an die beiden bestehende Naturschutzgebiete „Dicker Kopf“ und „Stausee von Affoldern“ an. Diese Gebiete sind auch vor „Eingriffen“ von außen per Verordnung geschützt. Eingriffe können auch Lärm und Freizeitrummel sein.

Diese Betrachtung zeigt, dass sich das Projektgebiet in einem Bereich befindet, der durch höchste internationale und nationale Vorschriften des Naturschutz- und Forstrechtes vor Eingriffen und negativen Entwicklungen bewahrt werden soll.

Bestärkt wird diese Bewertung durch die aktuellen Gutachten, die in den letzten Wochen vorgelegt wurden. Hervorzuheben ist das im Auftrag von Minister Dietzel erstellte Rechtsgutachten „Bindungen und Handlungsspielräume in Bezug auf das Meldegebiet Kellerwald im Rahmen der FFH-Richtline“ von dem Trierer Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Meinhard Schröder. Dieser führt aus, dass sich das Störungs- und Verschlechterungsverbot auf den Erhaltungszustand des Gebietes zum Zeitpunkt der Meldung bezieht: „Dementsprechend können zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Nutzungen keine Verletzung des Störungsverbotes darstellen, wohl aber  (....)  die nachträgliche Verringerung des Lebensraumes der Arten etwa zu Gunsten bestimmter Nutzungen im Meldegebiet sowie Erweiterungen bisheriger oder neue Nutzungen.“

Auch Minister Dietzel betont in seiner Stellungnahme zu diesem Rechtsgutachten: „Vor allem dürfe der Erholungszweck im Naturpark nicht zu Lasten des von der FFH-Richtlinie gebotenen Schutzes gehen.“ (Waldeckische Landeszeitung vom 11.04.01).

Unter zusätzlicher Beachtung der übrigen o.g. Rechtsvorschriften lässt sich unmissverständlich ableiten, dass das Projekt in keiner Weise genehmigungsfähig ist.

  

2. Umweltschutzgesichtspunkte 

Aus Umweltsicht ist der Einsatz von Schneekanonen nicht unproblematisch (Lärm, ggf. chemische Zusätze.) Die geplante Schneise in dem steilen Hangwald des Peterskopfes widerspricht sämtlichen Erkenntnissen über die Funktion von Schutzwäldern in den Alpen. Der Wald schützt den Berghang gegen die Erosionsgefahr. Die geplante Waldrodung kann zu einem Erdrutsch führen. In diesem Zusammenhang stellt sich u.a. die Haftungsfrage. Hohe Regenfälle haben z. B. in England zahlreiche Erdrutsche ausgelöst (Bericht der Westdeutschen Zeitung vom 20.04.01). Aus forstlicher Sicht erhöht die Schneise der Skipiste die Windbruchgefahr in den umliegenden Waldbeständen.

 

3. Naturschutzaspekte 

Die Langlaufpiste rund um das Pumpspeicherbecken auf dem Ermerod tangiert das innerhalb des Waldschutzgebietes gelegene NSG „Dicker Kopf“.

Die Abfahrtspiste beeinträchtigt wertvolle, in der Biotopkartierung erfasste Flächen. Zum Teil wären ältere, ökologisch wertvolle Baumbestände betroffen. Die Verdichtungswirkung von Kunstschnee würde die vorhandene Bodenvegetation negativ beeinträchtigen. Dazu sei ein Bericht der „Frankfurter Rundschau“ vom 23.12.2000 unter dem Titel „Mit Schneekanonen gegen Naturschutz“ zitiert: „Bei einer Begehung im Oktober, an der auch der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Hardy Vogtmann, teilgenommen hatte, waren die Pläne auf einhellige Kritik der Experten gestoßen. Der Charakter des europäischen Naturschutzgebietes werde zerstört hieß es.“

Die Skipisten mit ihrer intensiven Nutzung und dem durch sie verursachten Lärm wirken als Störfaktor tief in den angrenzenden Wald hinein. PETRAK (1996) gibt z.B. für den Rothirsch eine Reichweite von 300 bis 500 m an. Das ist sowohl im Winter in Hinblick auf die energetische Engpass-Situation als auch beim Betrieb einer Sommerrodelbahn bezüglich der Brut - und Setzzeiten sehr problematisch.

Offen ist auch die Frage von weiterem Flächenverbrauch für Infrastruktureinrichtungen und deren Standorte, die erfahrungsgemäß erforderlich werden.

Schließlich sei noch auf die Wertminderung der bei der Anlage des Oberbeckens erfolgten Ausgleichsmaßnahmen verwiesen. Die am Damm des Beckens angepflanzten Gehölze bieten im Winter zahlreichen Vogelarten Nahrung.  

 

4. Verkehrssituation

Die Planungen gehen von 100 000 Besuchern pro Saison aus. Ganz  überwiegend wird es sich um Tagestourismus handeln. Dies wird zu einer erheblichen Zunahme der Verkehrsbelastung in den Ortsdurchfahrten von Giflitz, Mehlen,  Affoldern, Hemfurth sowie von Wellen und Bergheim führen. Die sich ergebende Verkehrsbelastung muss im Zusammenhang mit der geplanten Einrichtung eines Freizeit-Centers zwischen Giflitz und Altwildungen gesehen werden. Die Stadt Bad Wildungen will dieses Projekt auch dann verfolgen, wenn es der bisher genannte Investor nicht realisieren kann. Die derzeitigen Planungen bedingen die Anreise von 5.000 bis 7.000 Gästen pro Tag. In einem Anhörungstermin am 08.03.2001 verwies der Edertaler Bürgermeister Schreiber darauf, dass die Gemeinde Edertal durch hohes Verkehrsaufkommen auf der B 485 berührt sei. Er habe sich diesbezüglich jedoch aufgrund der ungeklärten Finanzierung des Freizeit-Centers zunächst in seiner Stellungnahme zurückgehalten.

  

5. Tourismus

Das Entwicklungskonzept für die Region Kellerwald/Edersee geht von dem Leitbild eines „sanften Tourismus“ d. h. umweltverträglichen Tourismus aus. Eine entsprechende Zielsetzung hat auch Minister Dietzel anlässlich der Einweihung des Info-Zentrums in Frankenau am 02. Juni 2001 für den Naturpark Kellerwald/Edersee formuliert.

Ein Massentourismus (als Tagestourismus) passt nicht zu diesem Leitbild. Ein „Naturpark de luxe“ (Landrat Helmut Eichenlaub <CDU>) ließe sich bei einem derartigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen schwerlich realisieren. Das überregionale Image des Naturparks, dessen Kernzone und Markenzeichen das jetzige Waldschutzgebiet ist, würde schwer geschädigt, ehe es positiv entwickelt werden kann. Das Skipistenprojekt ist aus touristischer Sicht für die Außenwirkung des Naturparks kontraproduktiv. Es steht auch im Widerspruch zu den von CDU, FWG und FDP vereinbarten „Eckpunkten“ für die Kreispolitik.  Bezüglich des Naturparks Kellerwald/Edersee heißt es dort:

„Ein Gesamtkonzept soll sicherstellen, dass der Naturpark in seiner Außenwirkung der eines Nationalparks nicht nachsteht.“ (Waldeckische Landeszeitung vom 10.04.2001).

Kontraproduktiv wäre das Skipistenprojekt auch im Hinblick auf die wachsenden Aufgaben des Info-Zentrums „Fagotop“ am Wildpark Edersee. Es hat eine herausragende Bedeutung

für das Besucherkonzept. Für Exkursionen in das Waldschutzgebiet wird das nächstgelegene Waldgebiet um das Hochspeicherbecken eine zunehmende Funktion gewinnen (Besichtigung naturnaher Waldbilder, herrlicher Ausblick, Besuch der Waldgaststätte). Die geplante Skipiste, die Nebenanlagen und die Sommerrodelbahn würden den Wert dieses Waldbereiches für die stille Erholung und die Umweltbildung erheblich mindern.

Die Abfahrtspiste würde zudem das Landschaftsbild an dem exponierten Peterskopfhang erheblich beeinträchtigen.

Auch im Hinblick auf eine mögliche künftige Nationalparkausweisung (Ministerpräsident Roland Koch in WLZ 28.09.1999: „ ..die Option für einen Nationalpark muss für zukünftige Generationen offen gehalten werden.“) würde eine Skipiste der Zielsetzung eines Nationalparks diametral entgegenstehen. Die Besonderheit eines großen ungestörten Waldgebietes, die ihn auch im Vergleich mit anderen Nationalparken kennzeichnen würde, würde durch das Projekt zerstört.

Im Hinblick auf die potentiellen Auswirkungen des Projektes auf Beherbergungsbetriebe sind die Erfahrungen interessant, die ein inzwischen geschlossenes Hotel in Battenhausen gemacht hat. Durch den Skibetrieb hatte das Hotel lediglich während der Saison 5 bis 6 zusätzliche Gäste. Zwei Jahre, nachdem der Lift gebaut worden war, musste das Hotel geschlossen werden. Zumindest in diesem Fall konnte der Beherbergungsbetrieb nicht von dem Ankurbeln des Tagestourismus profitieren.

  

6. Ökonomische Aspekte

Ökonomische Aspekte können aus Naturschutzsicht nicht ausgeklammert werden, da der Schaden irreparabel ist, wenn das Projekt wirtschaftlich scheitert. Auf diesem Hintergrund erschiene der Rechtsstatus einer GmbH für die Betreibergesellschaft problematisch. Es ist davon auszugehen, dass die Kosten für eine Realisierung des Projektes die Grenze von 10 Mio DM überschreiten würden. Schwierig dürfte daher die Finanzierbarkeit sein.

Absurd wäre es, wenn Mittel der Europäischen Union (EU) für die Schädigung eines Gebietes mit einem EU-Schutzstatus verwendet würden, zumal die EU erheblichen Druck auf das Land Hessen ausübt, seiner Verpflichtung nachzukommen, im ausreichenden Maß FFH-Gebiete auszuweisen (Androhung von Strafgeldern, evtl. Sperrung von Fördermitteln).

Ebenso abwegig erscheint eine Förderung aus Naturschutzmitteln. Die Anmeldung als Förderprojekt durch den Kellerwaldverein widerspricht bereits den Zielen dieses Vereins, dessen Briefbögen den Aufdruck haben: „Verein zur Förderung einer integrierten, ökologisch orientierten und wirtschaftsstärkenden Regionalentwicklung im Naturraum Kellerwald.“

Zudem ginge der erhebliche Förderbedarf zu Lasten der zahlreichen anderen Projektvorschläge aus allen Bereichen der Kellerwaldregion, die für sich in Anspruch nehmen können, einen umweltgerechten Tourismus voranzubringen.

Dauerarbeitsplätze sind nach den Erfahrungen in anderen Bereichen bei einem saisonabhängigen Projekt, das sich auf Tagestourismus stützt, nicht zu erwarten.

 

7. Alternative: Wintersport in Battenhausen

Die künftige Regionalentwicklung im Kellerwaldbereich muss von einem großräumigen Management getragen werden. Dies bedeutet, dass bestimmte Schwerpunkte des Tourismus an unterschiedlichen Standorten der Region im Gesamtinteresse des Naturparks gesehen werden müssen. Auf diesem Hintergrund schlägt der NABU als Alternative zu dem Skipistenprojekt im Waldschutzgebiet einen Ausbau des Wintersportstandortes Battenhausen vor.

Battenhausen hat bereites eine Tradition als Wintersportort der Kellerwaldregion. Es liegt etwa 200 m höher als der Peterskopf und bietet wesentlich bessere klimatische Bedingungen (höhere Zahl von Frost- und Schneetagen). Bisher wurden in den dort vorhandenen Skilift und die ergänzenden Anlagen bereits rund 450.000 DM investiert.

Nach Informationen des NABU sind die Gesellschafter der dortigen Ski-Anlage an einer Fortentwicklung dieses Standortes ausdrücklich interessiert. Entsprechende Voraussetzungen sind nach Aussage der Betreiber gegeben. Auch aus struktureller Sicht erscheint eine Berücksichtigung des Standortes Battenhausen sinnvoll.

 

8. Fazit

Das Projekt Skipiste und Sommerrodelbahn im Waldschutzgebiet ist nach Auffassung des NABU

 

Es bleibt zusammenzufassen, dass aus all diesen Gründen das Projekt „Skipiste und Sommerrodelbahn“ nicht weiter zu verfolgen und bereits jetzt abzulehnen ist. Für die Region Kellerwald/Edersee sollte vielmehr umgehend ein den vorhandenen Leitbildern entsprechendes Tourismuskonzept erarbeitet werden.

07. Juni 2001
WL/HMa – 7.5.1.

NABU Landesverband NABU Kreisverband NABU Gruppe
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