Alle Flechten kartieren -
Werner Eger und Gerhard Kesper wollen
alle Flechtenarten im Landkreis bestimmen


"Gemeinwesen" aus Algen und Pilzen

HNA, 17.07.2007

WALDECK FRANKENBERG. Eine Riesen-Aufgabe haben sich Werner Eger, pensionierter Biologielehrer aus Marienhagen, und sein Freund Gerhard Kesper aus Battenfeld vorgenommen: Sie wollen alle im Landkreis Waldeck-Frankenberg vorkommenden Flechtenarten bestimmen und kartieren. „Bisher haben wir 451 Arten gefunden, darunter auch solche, die bisher in Hessen noch nicht nachgewiesen worden sind", berichtet Eger stolz.

 

Farben und Formenvielfalt: Auf dem „Hasenblick" bei Allendorf-Osterfeld bieten sich für Gerhard Kesper und
Werner Eger faszinierende Landschaftsbilder mit Flechten, hier mit der „Cladonia arbuscula". Foto: Völker

Jeder Fund wird von ihm zunächst in einer Karteikarte gesichert, dann mit dem Computer in 16 Rasterfelder auf Messtischblättern des Landkreises, Maßstab 1:25000. eingetragen und gespeichert. Allein in diesem Jahr haben die beiden Botaniker 962 Datensätze gesichert, dazu kommen 3108 aus früheren Jahren.

Flechten sind weder Algen, noch sind es Pilze, sondern faszinierende Wunderwerke aus beidem. „Man könnte sagen, Flechten sind Körper gewordene Gemeinwesen", sagt Werner Eger. Er und sein Freund Gerhard Kesper, ein ehemaliger Viessmann-Mitarbeiter und im NABU-Kreisverband als Fachmann für Flechten zuständig, kennen sich schon seit Jahren durch gemeinsame Arbeit im Naturschutzbeirat des Landkreises Waldeck-Frankenberg. Werner Eger brachte durch seine Mitgliedschaft in der Botanischen Vereinigung sein ganz spezielles Interesse an den Flechten ein, gemeinsam bildete er sich mit Gerhard Kesper bei Exkursionen mit „Lichenologen", Flechtenkundlern der Universität Gießen und des Frankfurter Senckenbergmuseums, weiter. Bei der Auswertung weniger bisher gesammelter Daten stellten sie fest: „Unser Gebiet ist noch, was die Flechten betrifft, ein weißer Fleck."

Die Flechte als hochkomplizierte Lebensgemeinschaft aus Alge und Pilz ist für die Biologen auch ein sensibler Anzeiger für den Zustand der Natur und die Reinheit der Luft. In manchen Ballungsräumen sind durch das Schwefeldioxid in Autoabgasen und Kohleöfen die Flechten so geschädigt, dass man von Flechtenwüsten spricht. „Dabei sind sie eigentlich Erstbesiedler gerade dort, wo sonst keine Pflanze Fuß fasst", stellt Gerhard Kesper fest.

Beim Untersuchen der Schiefer- und Grauwackebereiche in Waldeck-Frankenberg entdeckten die beiden Biologen bei ihrer systematischen Suche wesentlich mehr Flechten als etwa in der Buntsandsteinregion des Burgwaldes. Besonders interessante Pilz-Algen-Gemeinschaften verzeichneten sie beispielsweise auf den Battenfelder Trieschern oder im Elbrighäuser Grund. Begeistert sind sie immer wieder von der Vielfalt der Formen und den Farben der Flechten: manchmal stecknadelkopfgroße Flecken, nur mit der Lupe zu sehen, oder schon von weitem mit grauen Barten von den Bäumen winkend.
 

Foto: Bizarr, solche Formen können Flechten annehmen.


HINTERGRUND:
Auch Trockenheit ist kein Problem

Bei Flechten sorgt der Pilz (Mycobiont) für die Fortpflanzung, die Alge (Phycobiont) übernimmt Ernährung und Atmung. Als Strauch-, Blatt- oder Krustenflechten können sie ganz unterschiedlich aussehen. Das Kranzmoos bei Grabgestecken besteht meistens aus Flechten. Selbst extreme Trockenheit macht ihnen wenig aus. da sie, sogar völlig ausgetrocknet, beim nächsten Regenguss ihre Lebenstätigkeit wieder aufnehmen, (zve)

Bericht von Karl-Hermann Völker, 17.07.2007, HNA